Werte, Kosten und Preise von Straßen:

Differenzierungen nach Raumstruktur

Vortrag SRL-Workshop,

Hofgeismar, 19./20. Januar 2002

Faktor-10-Unterschiede beim Flächenverbrauch nach Verkehrsmittel und Raumstruktur

  • Die Höhe des Flächenverbrauchs des Autoverkehrs hängt kaum von der Autogröße ab. Bedeutsamer sind die hohe Auslastung von Parkplätzen (25qm/PKW), die Fahrgeschwindigkeit (25 qm/PKW bei 30km/h; 250qm/PKW bei 80 km/h) PKW und LKW unterscheiden sich daher kaum. Die Flächen liegen in der wertvollsten und teuersten EG-Zone.
  • Die Anzahl von Zielen unterscheidet sich um den Faktor 5-10 je nach Siedlungsstruktur zwischen dispersen und urbanen Feldern. Die Unterschiede von Mobilität und Wahlfreiheit zwischen diesen Polen liegen sogar eher bei einem Faktor 10-20. Die Werte der Flächen werden durch die Grundstückspreise (50DM/qm – 1000DM/qm) annährend widergespiegelt. Straßenbaukosten liegen bei durchschnittlich etwa 200DM/qm, bei schwieriger städtischer oder topografischer Lage auch bei 2000DM/qm)
  • Dagegen behandeln viele andere Umweltdiskussionen nur marginale Effekte mit Faktor 1,1-2,0 (Busse mit/ohne Rußfilter, Bahn-/Fluglärm, ...). Die „Ökosteuer“ auf die Treibstoffpreise schadet der Siedlungsentwicklung, weil sie die Raumstruktur fast völlig nivelliert: Die Motorkonzepte sorgen für fast gleichen Verbrauch bei 30 oder 80 km/h. „5DM/l“ ist in der Stadt viel zu billig, in der Dispersion viel zu teuer.

Nachhaltig mobil durch Kostenwahrheit: Stadtvernetzung und Autoland statt Zentren

  • Ökologie und freie Verkehrsmittelwahl lassen sich theoretisch gut über vollständige Monetarisierung, Kostenwahrheit, Kosteninternalisierung und Nutzerzurechnung verbinden. Das sind keine diktatorischen oder restriktiven „Maßnahmen“ sondern Einführung derjenigen Teile der Marktwirtschaft, die gesellschaftlich unbestritten sind.
  • Die Verkehrsnachfrage dürfte sich bei voller Verkehrskostenzurechnung so entwickeln: höchster und stark wachsender ÖV innerhalb und zwischen urbanen Einheiten; mittlerer stagnierender MIV zwischen dispers-autoorientierten Standorten; geringster und stark schrumpfender ÖV-und MIV zwischen urbanen und dispersen Zielen.
  • Die Siedlungsstrukturnachfrage dürfte sich in Richtung Nachverdichtungen an vorhandenen und Neuanlagen an neuen ÖV-Halten und ÖV Knoten entwickeln. Nachfrage für dispersesWohnen und Gewerbe würde weitgehend im Bestand befriedigt
  • Die Entwicklungsrichtung zielt auf eine Polarisierung zu Stadtvernetzungen einerseits und Autolandvernetzungen andererseits; beide werden funktional arbeitsteilig und ökologisch optimiert werden, haben aber zwischen sich weniger Massenmobilität. Die Entwicklungsintensität erfordert nur vergleichsweise geringe Preisimpulse, um das Neubau- und Renovierungsvolumen bei Siedlung und Verkehr weitgehend auf ÖV und Urbanität zu lenken.

Nachhaltigkeit statt Gleichheit, Zentralität, Gewohnheit und ländliches kulturelles Erbe

  • Zentrenhierarchien mit baumförmig strukturierten Verkehrssytemen werden obsolet. Diversifizierte Gesellschaften haben so viele und unterschiedliche Zentren, daß ihre Aggregate im Raum Vernetzungen werden. Telekommunikationsnetze und Energieverteilnetze führen zu zusätzlichen Standortunterschieden. Standortunterscchiede auf Grund der Effizienz technischer Raumüberwindung statt Gleichheit im Raum sind Voraussetzungen für Nachhaltigkeit.
  • Das Auto ist nicht geeignet um einer angeblich kulturell rückständigen „ländlichen“ Bevölkerung Zufahrt zur Stadtvernetzung zu ermöglichen; diese gibt es ohnehin nicht mehr. Es eignet sich aber sehr wohl für viele Lebensstile, Lebensphasen, und Funktionen, für die bei vergleichsweise teurer, mühsamer und geringer Mobilität und gleichzeitig erdgeschossiger Billigbauweise ökonomisch und ökologisch bessere Bilanzen zu erwarten sind als im Städtenetz.

  • Hemmungen beruhen zum Einen darauf, daß nur geringe Teile von Zeit und Raum der menschlichen Kulturgeschichte urban waren und nur wenige Menschen urban denken. Zum Zweiten führt die traditionelle politisch-räumliche Ordnung der Gebietskörperschaften zu Zentralitäten und nicht zu Vernetzungen.

Forderungen für Kostenkalkulation und Benutzerpreise von Straßen

  • Forderung 1: Für Straßenneubau innerorts Baulandpreise kalkulieren
    Baulandpreise spiegeln näherungsweise den Wert von Flächen, auch von siedlungsnahen Freiflächen wider. Ihre Einbeziehung als Vielfaches der reinen Baukosten führt zu realistischeren Kosten-Nutzen-Bewertungen, und zu weniger und flächensparenderem Straßenbau an richtigerer Stelle.
  • Forderung 2: Straßennutzungspreise stark nach Siedlungsstruktur spreizen
    Tatsächlich werden Nutzungspreise für bestehende Straßen aus Gründen mangelnder Auslastung und Akzeptanz nur selten kostendeckend sein. Nachfrage- oder Kapazitätspreise müssen trotzdem immer die Relation der Siedlungsstruktur (Faktor 5-10) kleinteilig enthalten – als wichtigstes Steuerungsinstrument für nachhaltige Mobilität und Siedlungsstruktur.
  • Forderung 3: Road-Pricing für Alle baldmöglichst einführen
    Das Nutzungspreissystem muß automatisch alle Straßen, alle Parkplätze und alle Kraftfahrzeuge erfassen und unterscheiden, maximal 50m und im Stand 1min registrieren, und durch anonyme on-board-debit-Geräte datengeschützt sein. GSM/UMTS und GPS/Galileo ermöglichen kurzfristig wirtschaftliche technische Inkasso-Lösungen auf Bundes-oder EU-Ebene.
  • Forderung 4: Renditen zu freien Verfügung an Kommunen, Kreise und Länder
    Die Preise müssen von föderalen Einrichtungen der Straßeneigentümer (Städteverbund u.ä.) auch zur Renditemaximierung festgelegt werden. Die Erträge müssen ohne Zweckbestimmung den jeweiligen Eigentümern, also den Gebietskörperschaften, aber auch etwa privaten Parkhausbetreibern oder erschießungspflichtigen Grundeigentümern zufließen. Es gibt keinerlei rechtliche oder politische Legitimation für eine Verwendung der Straßenentgelte für Verkehrsbauten.